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Unterstützung für die Orang-Utans

Der Orang-Utan schaute mir direkt in die Augen. Ich war überrascht. Ich suchte in meinem Gedächtnis nach Wissen. Es war nicht viel vorhanden. Eigentlich hatte ich keine Ahnung. »Direktes In-die-Augen-Schauen bedeutet Aggression.« Das hatte ich gehört oder gelesen. Der Orang-Utan schaute mir weiter direkt in die Augen. Von Aggression keine Spur. Dieser Blick berührte mich tief. Ich würde ihn nie vergessen. Ich war nicht auf Borneo oder auf Sumatra – dem Lebensraum der Orang-Utans. Mein Standpunkt war der Tierpark Hagenbeck in Hamburg. Jahre später zog ich auf die andere Seite der Stadt, in die Nähe des Tierparks. Joggte jeden zweiten Tag um das große Areal. Der nie vergessene Blick spielte sich nach vorne. Ich telefonierte mit der Pressestelle und bat um ein Interview.

Foto: Kabir Bakie at the Cincinnati Zoo – August 2005

Drei Tage später saß ich neben dem Tierpfleger der Orang-Utans Claus Claussen in der großen Kuppel des Orang-Utan-Hauses.
Tuan, der Alphamann, schaute zu uns herüber. Bevor das Interview begann, streiften sich unseren Blicke. Wenn auch nur von Weitem. »Aus den großen dunklen Augen spricht so viel Nachdenklichkeit und Verstand, dass die sonst eher nüchterne Environmental Investigation Agency, eine Londoner Gruppe unabhängiger Umwelt-Fahnder, sich zu der Erklärung hinreißen ließ, aus ihnen spreche Unschuld und Weisheit.« (Gerd Schuster, Willie Smits, Jay Ullal: Die Denker des Dschungels. Der Orang-Utan Report. Bilder • Fakten • Hintergründe. Potsdam (Tandem Verlag) 2007, Seite 32).

Orang-Utans sind phantastisch und berührend. Aber klar ist auch:
Hier ist ein Drama im Gange

Bei der Vorbereitung auf das Interview fand ich bei Amazon überraschend viele Bilderbücher für Kinder zu den Orang-Utans. Kaum brauchbare Literatur. Ein Buch schien völlig anders: »Die Denker des Dschungels. Der Orang-Utan Report«. Als Autor wurde unter anderem der Holländer Dr. Willie Smits ausgewiesen. Smits war 1985 nach Borneo gekommen, um eine Baumschule aufzubauen. 1989 besuchte er einen Gemüsemarkt in der Küstenstadt Balikpapan. Auf einem Abfallhaufen fand er ein lebendes Orang-Utan-Baby. Smits war schockiert und gleichzeitig fasziniert. »Ich hatte noch nie ein Orang-Utan-Baby gesehen. Seine Augen gingen mir durch und durch. Es schien geduldig auf den Tod zu warten.« (Die Denker des Dschungels, Seite 204). Das Erlebnis Smits’ ist bezeichnend für die Situation der Orang-Utans auf Borneo und Sumatra. Tod, Gewalt, Vernichtung des Lebensraums der Orang-Utans stehen Bildern der Schönheit, der Harmonie, der rührenden Begegnung zwischen den Menschenaffen und den Menschen gegenüber.

Wer sich, wenn auch nur durch ein Buch, ein Gespräch oder den Besuch der Website der BOS (Borneo Orangutan Survival Deutschland) einen Einblick in die Welt der unglaublichen Tiere verschafft, wird hin und her geschleudert zwischen den Extremen. Eins wird klar: Hier ist ein Drama im Gange.

Wilderer töten die Orang-Utan-Mutter, um ihr Baby für fünf bis zehn Euro zu verkaufen

»Die indonesischen Wilderer verwenden großkalibrige Luftdruckgewehre. Um zuerst die Äffin außer Gefecht zu setzen, zielen sie auf deren Augen. Danach pumpen sie das blinde, fluchtunfähige und völlig wehrlose Tier mit Blei voll – wobei sie versuchen, das wertvolle Baby nicht zu treffen. Die Babys werden für fünf bis zehn Euro an fliegende Orang-Utan Händler verhökert.« So beschreibt es Willie Smits. Aber das sind nicht die einzigen Feinde. Zu den Wilderern kommen die Holzfällertrupps der Ölpalmkonzerne, die den Urwald auf Borneo und Sumatra, die wenigen noch vorhandenen Lebensräume der Orang-Utans, rücksichtslos abholzen. Palmöl zur Herstellung von Frittierfett, Kerzen, Schuhcreme und für viele andere Produkte. Holz für Balkonmöbel.

Die Grausamkeit ihrer Feinde. Das Engagement und die Hingabe ihrer Freunde. Und die Einmaligkeit der Orang-Utans.

Wissenschaftler sagen, die Erbinformation des Orang-Utans sei zu rund 97 Prozent identisch mit der des Menschen. Sie sind unsere nächsten Verwandten. Man lobt ihre Intelligenz, ihre Lernfähigkeit, ihr unglaubliches Gedächtnis, ihre Stärke. Natürlich ist das bewundernswert. Aber benötigt man diese immer wieder aufgeführten Ähnlichkeiten für die Rettung ihres Lebensraums – ihrer Existenz? Ist es nicht grotesk, dass wir, ihre nächsten Verwandten, Zerstörer ihrer Lebenbedingungen sind und gleichzeitig die einzige Hoffnung auf ihr Überleben?

Wagen wir doch einmal, jenseits von Zahlen und Fakten, einen eigenen Blick auf die Orang-Utans. Kaum jemand von uns wird sie jemals in ihrer natürlichen Umgebung beobachten können, aber es gibt Bücher, Filme, Websites und Tierparks, die uns die Orang-Utans nahebringen. In dem Buch von Willie Smits und seinen Mitautoren erfährt man etwa, dass Orang-Utans nur schwer zählbar sind, weil sie hoch oben in den Baumwipfeln in 20 bis 30 Meter Höhe wohnen. Still und leise. Ihre Schlafstätten versteckt im Meer aus Zweigen und Laub. Die Forscher können sie von unten kaum ausmachen.

Orang-Utans sind Schwingkletterer, Bewegungskünstler. Die Bäume als Katapulte nutzend, schwingen sie sich von Baum zu Baum. Eine sehr komplexe Aufgabe, die die Orang-Utans mit Bravour bewältigen. »Die Fortbewegung mit Hilfe von Baum-Katapulten setzt gründliches Planen voraus- und eine gewisse Meisterschaft im Kalkulieren. Eine Kopfnuss, wie Orang-Utans sie permanent lösen müssen.« (Die Denker des Dschungels, Seite 38).

Willie Smits wird ärgerlich, wenn man die Orang-Utans als Einzelgänger bezeichnet. »Das ist ein katastrophales Missverständnis! Und hat zu viel Tierleid geführt. Weil man Orang-Utans in freier Wildbahn meist alleine antrifft, glaubten die Zoos jahrelang, es sei kein Problem, sie in Einzelhaft zu halten. Dabei sind Orang-Utans nur deshalb alleine, weil sie zu zweit nicht genügend zu fressen finden würden.« (Die Denker des Dschungels, Seite 60).
Seiner Erfahrung nach sind Orang-Utans höchst soziale Tiere. So widmet die Orang-Utan-Mutter ihrem Jungen sieben Jahre höchste Aufmerksamkeit, damit es all das Rüstzeug erhält, das es später im Urwald benötigt. Eingeschlossen natürlich die legendäre Liebe, mit der sie ihr Kind umsorgt.

Noch viele Fragen. Und der Wunsch, dass alles gut wird. Mit der Unterstützung von uns Menschen.

Wir könnten hier noch so vieles betrachten aus der Orang-Utan-Welt. Dass sie ein umfassendes Heilkräuter-Wissen besitzen und dieses auch nutzen, zum Beispiel bei Kopfschmerzen. Oder die Rolle, die Alphamänner spielen, und wie ein Orang-Utan-Tagesablauf ausschaut. Oder wie groß ein Orang-Utan-Territorium ist.

Ich möchte hier schließen. Nachfolgend noch Hinweise auf Quellen und Links zu Unterstützern. Hier erfahrt ihr noch viel mehr.

Ich wünsche den Orang-Utans, dass ihre Situation sich wesentlich verbessern wird. Dass sie in eine Zukunft blicken ohne Grausamkeiten, dass sie in Harmonie und Freiheit leben können, so wie es ihnen die Natur als Talent und als natürliches Recht mitgegeben hat.

Quellen:

Gerd Schuster, Willie Smits, Jay Ullal: Die Denker des Dschungels. Der Orang-Utan Report. Bilder • Fakten • Hintergründe. Potsdam (Tandem Verlag) 2007.
ISBN 978-3-8331-4622-0

Links:

BOS (Borneo Orangutan Survival) Deutschland

Hagenbeck Tierpark – Hamburg
Orang-Utan-Haus

 

 

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Der Frager

Manfred Zimmer – Dipl. Inf., Texter/Konzeptioner ist Der Frager. Ob in der U-Bahn, beim Einkauf, beim Lesen der Zeitung oder online, im Leben des Fragers ploppen an jeder Ecke unzählige Fragen auf. Fragen, die gestellt werden wollen.

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1 Kommentar

  • Jolanda
    28. November 2012 at 14:33

    Vor ein paar Jahren hatte ich ein ähnliches Erlebnis mit einer Orang-Utan Dame. Wir standen einander gegenüber nur durch eine Glaswand getrennt. Ihr Blick ging mir sehr tief, ich glaubte sogar eine gewisse Melancholie zu erkennen. Wir sassen uns lange gegenüber und schauten uns in die Augen. Bevor ich weiter ging nickte ich kurz mit dem Kopf um mich zu verabschieden, dies geschah meinerseits recht automatisch. Ich hatte einfach das Gefühl, einer Person gegenüber zu sitzen und wunderte mich ab meiner Geste. Doch sie wurde zu meinem Erstaunen erwiedert und die Orang-Utan Dame hielt zum Abschied die Handfläche an die Glasscheibe, was ich ihr wiederum gleich tat.
    Lange ging mir dieses Erlebnis nicht mehr aus dem Kopf. Seither bin ich überzeugt, dass hier die Grenzen zwischen Mensch und Tier eigentilch verschwommen sind. Es wurde mal so definiert, genau so wie früher Urvölker Afrikas nach Europa geschleppt wurden und wie Tiere in Zoos gehalten wurden.
    Wir sollten diesen Tieren oder wie auch immer wir sie klassifizieren mehr Respekt entgegenbringen. Ihren Lebensraum respektieren und sie dort in Ruhe lassen.

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