Als ich durch die Bildergalerie der Kunstmesse Affordable Art Fair Hamburg klickte, fiel mir das Bild »Young couple at the water« sofort auf und es machte »spung!«. Das Werk stammt aus der Reihe »Transparencies« der Künstlerin Angelika Jelich.
Die Bilder wirken auf mich wie aus einem luziden Traum. Sie sagt: »Meine Transparencies sollen die mögliche Durchsichtigkeit und Durchlässigkeit zulassen. Das Gegenteil von Heimlichkeit, Dichtmachen und Abschließen. Transparenz bedeutet für mich auch Leichtigkeit im Gegensatz zu Schwere.«
Der Frager hier im Interview mit der Künstlerin.
Der Frager: Als ich durch die Bildgalerie der Kunstmesse Affordable Art Fair Hamburg klickte, fielen Sie mir sofort auf. Ich sah das Bild »Young couple at the water«. Ich empfand ein explosives Gefühlsgemisch aus Aufbruch, Fernweh und Heimweh. Was ist der Hintergrund zu diesem Bild? Wie ist die Entstehungsgeschichte?
Angelika Jelich: Da ich oft auf Long Island bin und dort auch lebe und arbeite, ist mir das Wasser wie der Ocean oder der Long Island Sound sehr vertraut. Dort beobachte ich alle möglichen Paarkonstellationen. So entstand diese Szene eines »Young couple at the water«. Ich liebe das Wasser und bin sehr gerne am Meer. Dieses Paar bietet sicherlich zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Ich habe schon mit vielen Leuten über diese Arbeit gesprochen und viele Sichtweisen bei der Interpretation dieser Situation gehört. Ihre Gefühle wie Aufbruch interpretiere ich als neue Chance, Fernweh als die Sehnsucht nach dem Urelement Wasser und dem jungen, schönen Paar und das Gefühl Heimweh ist für mich da anzukommen, wo ich hingehöre bzw. hingehören möchte.
Sie leben in Münster und New York. Seit wann leben Sie in New York und wo leben Sie da?
Ich lebe seit 2000 auch auf Long Island. Zur Zeit in Southampton. Früher waren es auch andere Orte auf Long Island. Der Kontakt zur City erfolgt meistens durch den Zug oder Schnellbus.
Gibt es zwei Künstlerleben? Eines in Deutschland und eines in den USA?
Münster als gutbürgerliche Oase in Deutschland ist sehr ruhig im Gegensatz zum American Life. Das schillernde, fetzige New York steht natürlich im Gegensatz zum ruhigeren Long Island. So halte ich mich eigentlich an drei Stellen auf. Übrigens, seit letztem Jahr bin ich auch häufig, bedingt durch den Kontakt zu einer Galerie, in Zürich.
Als ich den Folder der Affordable Art Fair sah – ein junges Paar mit Geschenkpackungen – dachte ich zuerst an ein Werbeprospekt eines Kaufhauses. Die Website zeigt mir aber schon auch sehr aufregende Künstler. Wie stehen Sie zu der Messe. Art meets commerce oder respektable Kunstmesse?
Für mich ist das Konzept auch ganz neu. Ich stehe ihm positiv gegenüber. Erschwingliche Kunst – Preise, die auf dem Teppich bleiben. Selbst Gerhard Richter versteht nicht, wieso seine Bilder so teuer sind. Mit Kunst zu handeln, wie mit Aktien, ist meiner Ansicht nach nicht gesund. Was die Qualität angeht, gestaltet sich der Kunstmarkt für mich sehr schwierig. Deshalb finde ich diesen Messetyp begrüßenswert.
In der Einführung zu Ihrer New Yorker Ausstellung »Transparenz – Transparency« sagt Dr. Bennie Priddy sehr poetisch und – wie ich finde – auch treffend: »Wir schauen durch ein Fenster auf die Fenster eines gegenüberliegenden Gebäudes und sehen manchmal Menschen in diesem Gebäude und gleichzeitig die Verspiegelung unseres Fensters, unseres Standpunktes, in den Fenstern gegenüber.«
Warum wollen Sie das zeigen? Welche Gedanken spiegeln sich da wider?
Mir geht es mit diesem Thema um die Mehrschichtigkeit der Welt. Jeder Augenblick, jede Situation, jeder Gegenstand hat verschiedene Facetten und lässt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu. Wir bekommen in den Transparencies Persepktiven, durch die wir auf die Situation oder den Gegenstand blicken können. Meine Transparencies sollen die mögliche Durchsichtigkeit und Durchlässigkeit zulassen. Das Gegenteil von Heimlichkeit, Dichtmachen und Abschließen. Transparenz bedeutet für mich auch Leichtigkeit im Gegensatz zu Schwere.
Der schon erwähnte Dr. Bennie Priddy sagt auch »Die Bilder stellen fest, dass hinter diesen Feuerleitern und in den Wolkenkratzern Menschen wohnen, zu denen wir keinen Kontakt haben. Die Farben sind zu heiter, um diesen Kommentar als pessimistisch zu interpretieren.« Was sagen Sie zu seiner Interpretation?
Das Glas ist halbvoll und nicht halbleer. Das ist die positive Möglichkeit, wie die Menschen hinter diesen Fassaden leben. Ich hätte auch die grauschwarze Variante nehmen können. Ich bevorzuge in meiner Kunst aber das Heitere, Positive. So nehme ich die entsprechende Farbpalette.
Wie im Märchen regnet es Gold- und Silberstücke vom Himmel. Sie können sich jedes Werk der Welt leisten. Welches wäre das (von welchem Künstler)?
Das ist schwierig. Früher wäre es bestimmt ein Werk von Cy Twombly oder Graubner gewesen. Oder im Kontrast dazu eines von Basqiuat. Mittlerweile ist mein Blick aber mehr nach vorne gerichtet. Aus diesem Grund würde ich mich nicht gerne festlegen wollen.
Ein weltbekannter Musiker würde Sie bitten, dass Sie ihm ein Tattoo entwerfen? Wer wäre der Künstler und was würde das Tattoo zeigen?
Keith Jarrett bekäme von mir eine abstrakte Farbkomposition mit lebhaftem Rot, Gelb, Blaugrün, Pink und Grün in Kombination mit Schwarz, die sein Stampfen während seiner Klavierkonzerte ausdrücken.
Einfache – oder doch schwierige Frage – was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Wo werden Sie Neujahr verbringen und was werden Sie mit wem tun?
Meine nächste Ausstellung ist im März 2013 in Zürich. In der Planung ist eine Ausstellung in einer neuen Galerie in Münster und last not least verbringe ich Silvester mit Freunden auf Long Island. Dort bin ich auch im Gespräch über eine Ausstellung Ende 2013. Ganz wichtig ist meine zukünftige künstlerische Arbeit: Die Transparencies werden bestimmt Grundlage für neue Arbeiten sein.
Vielen Dank für das Interview an Angelika Jelich.
Zur Website der Künstlerin
Der Frager
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